Der Theatergarten in Potsdam ist lauschig, schöner Blick auf die Havel: Auf dem Wasser paddeln die Stand-ups, aus einem Partyboot schallen Technobeats. Davor, auf dem Podium, sitzen zwei Moderatorinnen, zwei Politiker und drei Politikerinnen, die über eine bessere Familienpolitik diskutieren.     

Es ist eine dieser Veranstaltungen, wie sie gerade oft und überall im Land stattfinden. Ein regionaler Verband, hier der Frauenpolitische Rat Land Brandenburg, hat die örtlichen Bundestagskandidaten zur Diskussion geladen. Mitglieder und andere Interessierte dürfen Fragen stellen. Das Themenspektrum reicht an diesem Abend von der Mädchenförderung im Breitensport über die Istanbul-Konvention bis zum Gender-Pay-Gap. 

Etwas aber macht diesen Wahlkreis 61 besonders: die hohe Dichte an Prominenz. In Potsdam treten eine Kanzlerkandidatin und ein Kanzlerkandidat direkt gegeneinander an, zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. Annalena Baerbock von den Grünen und Olaf Scholz von der SPD – beide wollen hier das Direktmandat gewinnen. Es ist das erste Mal, dass sie als Wahlkreiskandidaten aufeinandertreffen, zumindest "in Präsenz", wie man in Corona-Zeiten sagt. Bisher kam man, pandemiebedingt, nur digital zusammen. 

Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit. Als Baerbock eine Viertelstunde vor dem Start den Garten betritt, ist sie schnell umringt von Journalistinnen, Lokalpolitikern und Frauenrätinnen. Die meisten tragen Maske.  

Scholz trifft etwas später ein. Er ist umringt von mindestens fünf kräftigen Personenschützern. Sie erhöhen schlagartig die Männerquote. Das Publikum ist neugierig, gut informiert – und bestimmt zu 80 Prozent weiblich. Der Kanzlerkandidat und die -kandidatin werden freundlich empfangen. Lokalhelden sind sie aber nicht, der Hamburger und die Niedersächsin. Beide wohnen zwar schon einige Jahre in Potsdam. Aber nur sie sei "#eine von hier", betont Saskia Ludwig gern, die Gegenkandidatin von der CDU.

Sachlich, trocken, arg ausführlich

Das Thema ist aber für beide durchaus dankbar. Die Frage, die die Moderatorin zu Beginn stellt – "Wie feministisch sind Ihre Parteien?" –, würden Scholz und Baerbock bestimmt beide sofort mit "sehr" beantworten.

Scholz betont schließlich nicht nur an diesem Abend, welch großen Stellenwert die Emanzipation in seiner Kampagne einnimmt. Er kann glaubhaft und gut informiert über strukturelle Ungerechtigkeiten und erforderliche Maßnahmen zur Frauenförderung sprechen. Er weiß auch, an welchen Stellen es in der Regel hakt (Koalitionspartner, Gerichte, Länder, Europa etc.). Und er kann im Detail erklären, wo er mit all seiner Fachkenntnis als Kanzler ansetzen will. 

Aber das Theaterpublikum gewinnt er trotzdem nicht. Seine Ausführungen sind sachlich, trocken, teilweise arg ausführlich. Bald schießt sich die Moderatorin auf ihn ein, weil er regelmäßig das Zeitlimit überzieht. "Equal Timing!", mahnt Baerbock einmal an – und fährt ihren größten Lacher des Abends ein.